Gehaltstransparenz

Der Schlüssel zu fairer Vergütung und Bindung von Mitarbeitenden

Gehaltstransparenz – ein Begriff, der in vielen HR-Abteilungen längst auf der Agenda steht, aber noch lange nicht überall mit vollem Engagement umgesetzt wird. Doch worum geht es bei diesem Konzept wirklich, und warum sollte es Dich als HR-Professional beschäftigen? Die Antwort ist einfach: Gehaltstransparenz ist nicht nur ein Buzzword – sie ist ein Gamechanger für Deine Organisationskultur, die Gerechtigkeit und letztendlich für den Zusammenhalt Deines Unternehmens.

Was ist Gehaltstransparenz?

Gehaltstransparenz bedeutet, dass klare, nachvollziehbare Kriterien für die Festlegung von Gehältern bestehen und diese Informationen zugänglich sind – sowohl intern für Deine Mitarbeitenden als auch extern für potenzielle Kandidaten. Es geht nicht zwingend darum, dass jeder die exakte Vergütung seines Kollegen kennt. Vielmehr geht es darum, dass die Regeln des Spiels transparent sind: Wie wird ein Gehalt bestimmt? Welche Faktoren spielen eine Rolle? Wie können Mitarbeitende ihre Entwicklungschancen nutzen, um ihr Einkommen zu verbessern?

Im Kern ist Gehaltstransparenz eine psychologische Frage. Menschen fühlen sich in Systemen sicherer und motivierter, wenn sie die Spielregeln verstehen. Ungerechtfertigte Gehälter, die im Dunkeln bleiben, führen zu Misstrauen, innerer Kündigung und letztendlich zum Verlust von talentierten Mitarbeitenden.

Die EU-Entgelttransparenzrichtlinie

Der gesetzliche Rahmen

Seit Juni 2023 gibt es ein klares europäisches Signal: Die EU-Entgelttransparenzrichtlinie (2023/970/EU) setzt Standards für Gehaltstransparenz. Deutschland muss diese Richtlinie bis zum 7. Juni 2026 in nationales Recht umsetzen – und der Druck wird größer.

Die Richtlinie verfolgt ein primäres Ziel: die Beseitigung von Lohnungleichheiten zwischen Frauen und Männern bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit. Derzeit verdienen Frauen in Europa im Schnitt 13 Prozent weniger als Männer – ein Unterschied, der sich durch Gehaltstransparenz und systematische Analysen reduzieren lässt.

Praktische Anforderungen der Richtlinie

Die EU-Entgelttransparenzrichtlinie schreibt mehrere konkrete Maßnahmen vor.

1. Auskunftsrecht für Arbeitnehmende: Deine Mitarbeitenden können Auskunft verlangen über ihre individuelle Vergütung und die Durchschnittsvergütung ihrer Vergleichsgruppe – getrennt nach Geschlecht. Dieses Auskunftsrecht gilt unabhängig von der Betriebsgröße.

2. Transparenz im Bewerbungsverfahren: Im Bewerbungsprozess müssen Informationen über das Einstiegsentgelt oder dessen Spanne enthalten sein, beispielsweise in der Stellenausschreibung. Zudem darfst Du Kandidaten nicht mehr nach ihrer früheren Vergütung fragen – ein wichtiger Schritt, um historische Ungerechtigkeit nicht zu perpetuieren.

3. Berichtspflichten für größere Unternehmen: Arbeitgeber ab 150 Mitarbeitenden müssen erstmalig für das Jahr 2027 einen Bericht über ihr geschlechtsspezifisches Lohngefälle veröffentlichen. Unternehmen ab 250 Beschäftigten müssen jährlich berichten, Unternehmen mit 150–249 Beschäftigten müssen dies alle drei Jahre tun.

4. Gemeinsame Entgeltbewertung: Zeigt sich bei der Analyse ein ungerechtfertigtes Lohngefälle von mindestens 5 Prozent, musst Du zusammen mit Arbeitnehmervertretern eine systematische Entgeltbewertung vornehmen – und das Gefüge korrigieren.

Best Practices: Wie Du Gehaltstransparenz jetzt schon umsetzen kannst

Es muss natürlich nicht bis 2026 gewartet werden. Tatsächlich solltest Du jetzt aktiv werden, denn die Zeit bis zur Umsetzung ist ideal, um Deine Gehaltsstrukturen zu überprüfen und zu verbessern.

Audit Deiner Gehaltsstrukturen: Analysiere Deine aktuellen Gehälter auf Diskriminierungsmuster – speziell geschlechtsspezifische Unterschiede. Welche Rollen sind durchschnittlich niedriger bezahlt? Gibt es systematische Muster, etwa dass Frauen bei vergleichbarer Tätigkeit weniger verdienen?

Definiere klare Vergütungskriterien: Etabliere ein geschlechtsneutrales, objektives System zur Festlegung von Gehältern. Kriterien können sein: Erfahrung, Qualifikation, Leistung, Verantwortlichkeit oder Marktlage. Entscheidend ist, dass diese Kriterien nachvollziehbar und konsistent angewendet werden. Die gesamte Stellenarchitektur sollte auf den Prüfstand.

Schaffe eine Gehaltsphilosophie: Eine klare Kompensationsstrategie ist Dein Kompass. Sie beantwortet: Wie positioniert sich Dein Unternehmen am Markt? Bist Du ein Premium-Zahler oder fokussierst Du auf Stabilität? Diese Philosophie muss allen bekannt sein – von der Geschäftsführung bis zu den Teamleitern.

Kommuniziere offen: Viele Unternehmen haben bereits faire Systeme (häufig mittels Tarifverträgen oder in Anlehnung an diese), aber Mitarbeitende wissen es nicht. Schule Deine Manager, damit sie mit Gehaltsfragen sicher umgehen können. Biete Informationsveranstaltungen an, in denen Du erklärst, wie Gehalt berechnet wird.

Nutze Benchmarking: Vergleiche Deine Gehälter regelmäßig mit dem Markt. Es gibt zahlreiche Tools und Datenbanken, die Branchendurchschnitte bereitstellen. So vermeidest Du, dass Du unbemerkt über- oder unterbezahlst.

Tools und Software zur Umsetzung

Es gibt mittlerweile spezialisierte Software, die Dir bei der Umsetzung helfen kann:

  • Compensation Management Systeme: Automatisieren Lohn-/Gehaltsanalysen
  • HR-Management-Systeme: Bieten Module für Gehaltsverwaltung und Transparenzberichte
  • Benchmarking-Plattformen: Helfen beim Vergleich mit Marktraten
  • BI-Tools: Ermöglichen die Visualisierung und Analyse von Gehaltsmustern

Vorteile der Gehaltstransparenz

Wenn Du Gehaltstransparenz ernsthaft umsetzt, ergeben sich für Dein Unternehmen beachtliche Wettbewerbsvorteile.

Höhere Loyalität der Mitarbeitenden: Wenn Menschen verstehen und akzeptieren, wie ihre Vergütung zustande kommt, entwickeln sie mehr Vertrauen und kündigen seltener.

Besseres Recruiting: Talente erwarten heute Transparenz. Unternehmen, die Gehaltsbänder offen offenlegen, gewinnen an Attraktivität – und verschwenden weniger Zeit mit Kandidaten, deren Gehaltserwartungen nicht passen.

Reduziertes rechtliches Risiko: Mit der neuen Richtlinie wird Diskriminierung teuer. Transparenz ist der beste Schutz gegen unbeabsichtigte (geschlechtsspezifische) Lohnungleichheiten.

Attraktives Employer Branding: Unternehmen, die sich als fair und transparent positionieren, ziehen talentierte Kandidaten an – besonders junge, gut ausgebildete Fachkräfte, denen diese Werte wichtig sind.

Herausforderungen und wie Du sie löst

Natürlich gibt es auch Widerstände und Hürden

Interne Ungleichheiten im Gehaltsgefüge: Was, wenn die Analyse zeigt, dass Dein Unternehmen bislang unfair bezahlt hat? Das ist unangenehm, aber auch eine Chance zur Korrektur. Lege Übergangsregelungen fest – erhöhe schrittweise die unterbezahlten Positionen.

Kulturelle Hürden: In manchen Organisationen ist es historisch tabu, über Gehalt zu sprechen. Dies ist ein psychologisches und kommunikatives Problem, das nur durch kontinuierliche Aufklärung gelöst wird.

Komplexität bei Tarifverträgen: Wenn Dein Unternehmen tarifgebunden ist, muss die Richtlinie mit den Kollektivverträgen abgestimmt werden. Hier ist enge Zusammenarbeit mit Betriebsrat und Arbeitnehmervertretungen erforderlich.

Ressourcenaufwand: Die Datenerfassung und -analyse kostet Zeit und Know-how. Investiere hier in Schulung oder spezialisierte Software – es lohnt sich.

Fazit: Die Zeit zum Handeln ist jetzt

Die EU-Entgelttransparenzrichtlinie ist nicht nur eine regulatorische Anforderung – sie ist ein Signal für eine verändernde Arbeitswelt. Unternehmen, die jetzt proaktiv handeln, positionieren sich als faire, progressive Arbeitgeber. Diejenigen, die noch länger warten, werden unter Druck geraten.

Deine Aufgabe als HR-Professional ist es, diese Botschaft in Deine Organisation zu tragen: Gehaltstransparenz ist nicht das Ende der Welt – es ist der Anfang einer fairen, vertrauensvollen Unternehmenskultur. Menschen arbeiten motivierter, wenn sie verstehen, warum und wie sie bezahlt werden. Das ist nicht nur psychologisch sinnvoll – das ist auch wirtschaftlich rentabel.

Beginne also noch heute mit einer ehrlichen Analyse. Schreibe Deine Vergütungsphilosophie auf. Schule Deine Führungskräfte. Und bereite Dein Unternehmen auf eine transparentere Zukunft vor – nicht weil die Richtlinie es verlangt, sondern weil es das Richtige ist.

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