Fluktuationsrate

Warum die Erfassung und Analyse der Fluktuationsrate zum Grundstein moderner Personalarbeit zählt.

Kurz erklärt, warum Fluktuation ein zentrales HR-Thema ist

In der dynamischen Arbeitswelt von heute bleibt selten ein Team dauerhaft unverändert. Beschäftigte kommen und gehen – mit spürbaren Folgen für Unternehmenskultur, Know-how und Kosten. Die Fluktuationsrate liefert der Personalabteilung und Geschäftsleitung eine zentrale Kennzahl. Sie zeigt, wie hoch der Anteil der Mitarbeitenden ist, die in einem bestimmten Zeitraum das Unternehmen verlassen haben. Mit der richtigen Auswertung wird diese Zahl zum Kompass für nachhaltige HR-Strategien.​

Was ist die Fluktuationsrate?

Die Fluktuationsrate beschreibt den prozentualen Anteil der Beschäftigten, die ein Unternehmen während eines definierten Zeitraums verlassen – unabhängig davon, ob dies freiwillig, durch Vertragsablauf, Kündigung oder Ruhestand geschieht. Sie macht sichtbar, wie „beweglich“ das Personal eines Unternehmens ist und gilt als eine der wichtigsten HR-Kennzahlen im Kontext von People Analytics und HR-Controlling.​

Praxisbeispiel:
Ein Unternehmen beschäftigt am Jahresanfang 100 Mitarbeitende. Im Laufe des Jahres verlassen 10 Personen die Firma – die Fluktuationsrate beträgt damit 10%.​

So wird die Fluktuationsrate berechnet: Überblick der Formeln

Eine allgemeingültige Standardformel existiert nicht. Je nach Anforderung und Unternehmenstyp werden unterschiedliche Berechnungsarten eingesetzt. Die vier wichtigsten sind die Basisformel, die BDA-Formel, die ZVEI-Formel und die Schlüter-Formel.​


Basisformel:

Diese Formel verdeutlicht den relativen Anteil der Abgänge an der bestehenden Belegschaft.


Die BDA-Formel: Der Standard für etablierte Unternehmen

Die BDA-Formel wurde von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände entwickelt und gehört zu den am weitesten verbreiteten Berechnungsmethoden. Sie ist der klassische Ansatz und setzt die Abgänge ins Verhältnis zum durchschnittlichen Personalbestand einer Periode.​

Die Formel lautet:

Den durchschnittlichen Personalbestand berechnest Du, indem Du den Personalbestand zu Beginn der Periode und den Personalbestand am Ende der Periode addierst und das Ergebnis durch 2 teilst:​

Praktisches Rechenbeispiel:

Ein Unternehmen hat folgende Situation in einem Jahr:

  • Personalbestand zu Jahresbeginn: 120 Mitarbeitende
  • Personalbestand zu Jahresende: 118 Mitarbeitende
  • Abgänge im Laufe des Jahres: 14 Mitarbeitende
  • Neuzugänge im Laufe des Jahres: 12 Mitarbeitende

Der durchschnittliche Personalbestand ergibt sich aus:

Mit der BDA-Formel rechnen wir dann:

Die Fluktuationsrate beträgt also 11,76%.​

Vorteile der BDA-Formel:

Die BDA-Formel gilt als Standard und ist einfach anzuwenden. Sie wurde entwickelt für Unternehmen mit stabilen Strukturen und ist daher für etablierte Firmen besonders geeignet. Zudem ermöglicht sie gute Vergleichbarkeit mit anderen Unternehmen, da sie weit verbreitet ist.​

Nachteile und Kritik:

Die BDA-Formel wurde allerdings in einer Zeit entwickelt, als sich Unternehmensstrukturen noch deutlich langsamer veränderten. Ein wesentlicher Kritikpunkt ist, dass die Verwendung des Durchschnittswerts zu Ungenauigkeiten führt, besonders bei Unternehmen mit volatilen Personalbeständen. Zudem werden Personalzugänge und -abgänge nur teilweise berücksichtigt.​


Die ZVEI-Formel: Fokus auf ersetzte Abgänge

Die ZVEI-Formel wurde vom Zentralverband der Elektrotechnischen Industrie entwickelt. Sie unterscheidet sich grundlegend von den anderen Methoden, indem sie nur die ersetzten Abgänge berücksichtigt – also Mitarbeitende, die das Unternehmen verlassen haben und bereits durch Neuzugänge substituiert wurden.​

Die Formel lautet:

Dabei werden die ersetzten Abgänge berechnet als:​

Diese Formel mag zunächst komplex wirken – in der Praxis bedeutet sie: Nur Abgänge, die durch neue Mitarbeitende ersetzt wurden, fließen in die Berechnung ein.​

Praktisches Rechenbeispiel:

Stellen wir uns eine Marketingabteilung vor:

  • Personalbestand Anfang des Jahres: 50 Mitarbeitende
  • Personalbestand Ende des Jahres: 52 Mitarbeitende
  • Abgänge im Laufe des Jahres: 10 Mitarbeitende (5 Kündigungen + 5 Renteneintritt)
  • Neuzugänge im Laufe des Jahres: 12 Mitarbeitende
  • Durchschnittlicher Personalbestand: (50 + 52) / 2 = 51 Mitarbeitende

Die ersetzten Abgänge berechnen sich so:​

Mit der ZVEI-Formel ergibt sich dann:

Die Fluktuationsrate beträgt also 19,6%.​

Besonderheit – das Verhältnis von Zu- und Abgängen:

Ein wichtiger Aspekt der ZVEI-Formel ist ihr Verhalten, wenn sich Zu- und Abgänge unterscheiden:​

  • Gleiche Anzahl oder mehr Zugänge als Abgänge: Die ZVEI-Formel liefert das gleiche Ergebnis wie die BDA-Formel.​
  • Weniger Zugänge als Abgänge: Die ZVEI-Formel zeigt eine niedrigere Fluktuationsrate als die BDA-Formel, da nur die ersetzten Abgänge zählen.​

Wofür ist die ZVEI-Formel sinnvoll?

Die ZVEI-Formel bietet eine andere Perspektive auf Fluktuation: Sie sagt weniger aus über „wie viele Menschen gehen“, sondern eher „wie viele Stellen mussten wir wirklich neu besetzen?“. Diese Sichtweise ist wertvoll für Branchen mit hoher natürlicher Fluktuation (z. B. Elektrotechnik, Logistik), wo ein gewisses Maß an Personalwechsel zu erwarten ist.​


Die Schlüter-Formel: Besonders für wachsende Unternehmen geeignet

Die Schlüter-Formel unterscheidet sich grundlegend von anderen Berechnungsmethoden und wurde speziell entwickelt, um eine häufige Problemstellung zu lösen: Sie berücksichtigt, dass der Personalbestand eine Stichtagsgröße darstellt (eine Momentaufnahme), während Personalabgänge eine Zeitraumgröße sind (über einen gesamten Zeitraum verteilt). Genau hier setzt die Formel an und löst damit ein Kernproblem anderer Methoden.​

Die Formel lautet:

Im Gegensatz zur BDA-Formel, die den durchschnittlichen Personalbestand nutzt, arbeitet die Schlüter-Formel mit dem Anfangsbestand und addiert die Neuzugänge hinzu. Dieser unterschiedliche Ansatz hat praktische Konsequenzen – und führt oft zu merklich anderen Ergebnissen.​

Praktisches Rechenbeispiel mit konkreten Zahlen:

Ein Unternehmen hat in einem Jahr folgende Situation:

  • Personalbestand zu Jahresbeginn: 120 Mitarbeitende
  • Neuzugänge im Laufe des Jahres: 12 Mitarbeitende
  • Abgänge im Laufe des Jahres: 14 Mitarbeitende

Mit der Schlüter-Formel rechnen wir:

Die Fluktuationsrate beträgt also 10,61%.​

Zum Vergleich: Mit der BDA-Formel würde das Ergebnis anders ausfallen. Der durchschnittliche Personalbestand läge bei etwa 119 Mitarbeitenden, die Fluktuationsrate wäre dann 11,76%. Zwar ein kleinerer, aber doch messbarer Unterschied.​

Warum die Schlüter-Formel besonders für wachsende Unternehmen geeignet ist:

Die Schlüter-Formel hat einen großen Vorteil für Start-ups und schnell wachsende Firmen: Sie verhindert unrealistisch hohe oder verzerrte Fluktuationswerte. Bei einem Start-up mit nur 10 Mitarbeitenden zu Jahresbeginn, 12 Neuzugängen und 2 Abgängen würde die Basisformel eine Fluktuationsrate von 20% suggerieren – die Schlüter-Formel ergibt dagegen nur 9,09%. Letztere bildet die tatsächliche Personalsituation deutlich realistischer ab: Das Unternehmen wächst, die beiden Abgänge sind im Kontext dieser Expansion zu sehen.​

Diese Sensibilität für Wachstumsdynamiken macht die Schlüter-Formel zur ersten Wahl für volatile, expandierende Organisationen. Studien zeigen, dass die Schlüter-Formel die verlässlichsten Ergebnisse sowohl für die interne Analyse als auch für Benchmarking liefert.​


Vergleich aller Formeln: Welche passt zu Deinem Unternehmen?

Die folgende Tabelle zeigt die Unterschiede der vier Formeln und ihre Eignung für verschiedene Situationen:

FormelNennerBesonderheitBest Practice fürKomplexität
BasisPersonalbestand Anfang der PeriodeEinfach, aber unpräziseSchnelle erste Übersicht, kleinere UnternehmenNiedrig
BDADurchschnittlicher PersonalbestandStandardmethode, weit verbreitetStabile, etablierte UnternehmenMittel
SchlüterAnfangsbestand + ZugängeBerücksichtigt Stichtagsgröße vs. ZeitraumgrößeWachstumsorientierte Unternehmen, Start-ups, Scale-upsMittel
ZVEIDurchschnittlicher Personalbestand (ersetzte Abgänge)Fokus auf ersetzte FluktuationBranchen mit hohem Personalwechsel (z. B. Elektrotechnik)Hoch

Praktische Anwendung der Fluktuationsrate in HR-Analytics

Moderne HR-Analytics-Lösungen gehen weit über das reine „Zählen“ hinaus: Sie helfen, Muster und Ursachen hinter der Fluktuation zu erkennen und sichtbar zu machen, welche Mitarbeitergruppen besonders betroffen sind. Dadurch kann HR gezielt Maßnahmen zur Bindung wichtiger Talente entwickeln (z. B. durch gezieltes Onboarding, Personalentwicklung oder Anpassungen im Arbeitsklima).​

Beispiel für Best Practice:
Mit Hilfe von HR Analytics identifiziert eine Firma, dass langjährige Mitarbeitende in einer bestimmten Abteilung besonders häufig kündigen – der Auslöser: mangelnde Entwicklungsmöglichkeiten. HR kann darauf reagieren und gezielte Weiterbildung anbieten.

Worauf Du bei der Formelwahl achten solltest

Die Wahl der richtigen Formel ist kein akademisches Detail, sondern hat praktische Auswirkungen:

Konsistenz ist entscheidend: Welche Formel Du auch wählst – sie sollte über Jahre hinweg beibehalten werden, damit Du echte Trends und Veränderungen erkennen kannst. Regelmäßige Wechsel der Berechnungsmethode machen Benchmarks und Zeitreihenvergleiche unbrauchbar.​

Kontext beachten: Für ein Unternehmen in Wachstumsphase ist die Schlüter-Formel oft aussagekräftiger als die BDA-Formel. Ein stabiles, etabliertes Unternehmen kann problemlos mit der BDA-Methode arbeiten. Für spezialisierte Branchen kann die ZVEI-Formel sinnvoll sein.​

Transparenz schaffen: Dokumentiere, welche Formel Du nutzt, und erkläre Deinen Stakeholdern, warum diese Wahl sinnvoll ist. Das schafft Vertrauen in die Zahlen.​


Vorteile und Herausforderungen der Fluktuationsmessung

VorteileHerausforderungen
Frühe Identifikation von Problemen im Arbeitsklima, Führung oder ArbeitsbedingungenUnterschiedliche Berechnungsarten erschweren Benchmarks
Datenbasierte Argumentationsbasis für Mitarbeiterbindungs-StrategienReine Zahlen erklären selten alle Zusammenhänge – ergänzende Analysen nötig
Maßstab für die Ergebnisbewertung von HR-Maßnahmen (vor/nach Initiativen)Sensible Interpretation: Nicht jede Fluktuation ist negativ
Unterstützung bei der Personalbedarfsplanung und NachfolgeplanungHohe Werte führen zu Kosten, Wissensverlust und Belastung des Betriebs
Benchmarking zwischen Abteilungen und im Branchenvergleich

Tipp: Eine moderate Fluktuation kann auch Chancen bieten. Neue Perspektiven, Entwicklungsmöglichkeiten für verbleibende Mitarbeitende, Innovationsschub durch frisches Know-how.​

Tools und Software

Spezialisierte HR-Analytics-Tools automatisieren die Berechnung und Analyse der Fluktuationsrate. Sie unterstützen dabei, Trends zu erkennen, Dashboards zu gestalten und Reports für Führungskräfte aufzubereiten – oft integriert in moderne HR-Management-Systeme. Viele Systeme ermöglichen es sogar, zwischen verschiedenen Formeln zu wählen und die Ergebnisse entsprechend auszugeben.​

Fazit: Smarte Steuerung braucht smarte Kennzahlen

Die Fluktuationsrate ist mehr als nur eine Zahl – sie liefert wichtige Einblicke in die „Gesundheit“ der Belegschaft und den Erfolg von HR-Strategien. Mit der richtigen Formel – ob BDA, ZVEI oder Schlüter – wird die Messung auch tatsächlich realistisch und handlungsorientiert. Die Wahl hängt vom Kontext Deines Unternehmens ab: Während die BDA-Formel der etablierte Standard für stabile Organisationen ist, bietet die Schlüter-Formel realistischere Werte für wachsende Unternehmen. Die ZVEI-Formel eröffnet eine alternative Perspektive auf Fluktuation, wenn es um die Frage geht, wie viele Stellen tatsächlich neu besetzt werden mussten.

Im Zusammenspiel mit Analytik und digitalem Reporting wird sie zum Schlüsselfaktor für nachhaltige Unternehmensentwicklung. Wer diese Kennzahl regelmäßig und richtig auswertet, schafft die Basis für motivierte Teams, geringere Kosten und dauerhaftes Wachstum.


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