Sechs Phasen für erfolgreiche Personalentwicklung
Wie Du mit dem bewährten Funktionszyklus nachhaltige Mitarbeiterentwicklung aufbaust
Personalentwicklung ohne Plan ist wie eine Reise ohne Ziel. Du könntest überall landen, nur eben nicht dort, wo Du hinmöchtest. Prof. Manfred Becker hat genau dieses Problem erkannt und mit seinem Funktionszyklus systematischer Personalentwicklung eine Lösung geschaffen, die seit Jahrzehnten in Unternehmen weltweit bewährt ist. Das Becker-Phasenmodell zeigt Dir, wie Du Deine Personalentwicklung strukturiert, zielgerichtet und nachhaltig gestaltest.
Doch warum ist ein strukturiertes Modell überhaupt so wichtig? Unternehmen, die ihre Mitarbeiterentwicklung systematisch angehen, sehen messbare Ergebnisse. Höhere Mitarbeiterzufriedenheit, bessere Leistung, geringere Fluktuation. Das Becker-Modell ist der Kompass, der Dich dabei unterstützt.
Der Funktionszyklus
Ein Kreislauf für nachhaltigen Erfolg
Das Becker-Phasenmodell besteht aus sechs ineinandergreifenden Phasen, die einen kontinuierlichen Prozess bilden. Es folgt nicht einfach eine Phase auf die andere, sondern alle arbeiten zusammen, um den maximalen Nutzen aus Deinen Personalentwicklungsmaßnahmen herauszuholen.
Lass uns die einzelnen Phasen verstehen und durchgehen, wie Du sie in der Praxis umsetzt.
1. Phase: Bedarfsanalyse – Die richtige Frage stellen
Bevor Du eine Schulung buchst, eine Trainingsmaßnahme startest oder ein Coaching arrangierst, musst Du wissen, was wirklich gebraucht wird. Hier beginnt die Bedarfsanalyse. Sie ist das Fundament des ganzen Modells.
Die Bedarfsanalyse sollte folgende Fragen beantworten. Welche Fähigkeiten brauchen Deine Mitarbeiter heute? Was werden sie morgen brauchen? Wo sind die Lücken zwischen dem, was sie können, und dem, was sie können sollten?
Konkret sieht das so aus:
Tätigkeitsanalyse: Welche Aufgaben werden derzeit tatsächlich in einer Position erfüllt? Was macht ein Projektmanager wirklich von morgens bis abends?
Anforderungsanalyse: Welche Fähigkeiten sind nötig, um diese Aufgaben professionell zu erledigen? Nicht nur fachliche Kompetenzen, sondern auch Führungs-, Methoden- und Sozialkompetenzen zählen hier.
Adressatenanalyse: Wo stehen Deine Mitarbeiter heute? Welche Stärken bringen sie mit? Wo sind ihre Entwicklungspotenziale?
Ursachenanalyse: Wenn es Lücken gibt, warum gibt es sie? Ist das Problem ein Mangel an Wollen (Motivation), Können (Qualifikation) oder Dürfen (Berechtigung)?
Führe regelmäßige Entwicklungsgespräche mit Deinen Mitarbeitern. Das gibt Dir echte Einblicke in ihre Bedürfnisse und Potenziale. Du erfährst, wer sich gerne weiterentwickeln möchte, wer neue Herausforderungen sucht und wo echte Qualifikationslücken sind.
2. Phase: Ziele definieren – Die Richtung festlegen
Jetzt weißt Du, wo die Lücken sind. Aber wohin soll die Reise gehen? In Phase zwei formulierst Du klare und verbindliche Ziele für die Personalentwicklungsmaßnahmen.
Die Ziele sollten SMART sein – Spezifisch, Messbar, Attraktiv, Realistisch, Terminiert. Aber über die klassische SMART-Definition hinaus ist es entscheidend, dass die Ziele akzeptiert und im Dialog erarbeitet werden.
Ein gutes Entwicklungsziel ist nicht das, das eine Führungskraft allein in ihrem Büro aufschreibt. Ein gutes Ziel entsteht im Gespräch mit dem Mitarbeiter, der es erreichen soll. Nur dann passiert das, was wirklich zählt. Der Mitarbeiter nimmt Ownership, identifiziert sich mit dem Ziel und arbeitet aktiv an seiner Erreichung.
Die Ziele sollten auf verschiedenen Ebenen definiert werden:
Kognitiv: Was soll der Mitarbeiter wissen und verstehen? (z. B. neue Software bedienen)
Affektiv: Welche Einstellungen sollen sich entwickeln? (z. B. mehr Kundenorientierung, höhere Innovationslust)
Psychomotorisch: Welche praktischen Fähigkeiten sollen aufgebaut werden? (z. B. gewisse Handgriffe beherrschen, ein neues Verfahren anwenden)
Stelle sicher, dass Deine Mitarbeiter das „Warum“ verstehen. Warum ist dieses Ziel für das Unternehmen wichtig? Wie trägt die Entwicklung der Person zum Erfolg bei? Diese Kontextualisierung erhöht die Motivation um ein Vielfaches.
3. Phase: Kreatives Gestalten – Die richtige Form finden
Wie schaffen wir es, dass Deine Mitarbeiter diese Ziele erreichen? In Phase drei planst Du die Infrastruktur der Personalentwicklung.
Es geht um Fragen wie:
- Wann findet die Entwicklung statt? (Während der Arbeitszeit? Nach Feierabend? An Wochenenden?)
- Wo findet sie statt? (Im Unternehmen? Bei einem externen Anbieter? Online?)
- Wie lange dauert es? (Intensivtraining oder über Wochen verteilt?)
- Wer soll beteiligt sein? (Trainer, Coaches, Mentoren? Wie viele Teilnehmer?)
- Mit welchen Methoden arbeiten wir? (Seminare, on-the-job-Trainings, Coaching, Mentoring, Workshops?)
Das Kreative Gestalten ist auch eine Frage der Kosteneffizienz. Nicht jedes Ziel erfordert die gleiche Methode. Manchmal ist ein einfaches Online-Training ausreichend, manchmal braucht es intensives Coaching. Dann wiederum könnte die beste Lösung sein, den Mitarbeiter an ein neues Projekt zu setzen und ihn dort begleitet lernen zu lassen (on-the-job-Training).
Denke in Blended-Learning-Ansätzen. Kombiniere verschiedene Methoden, beispielsweise ein Seminar, dazu ein Coaching-Element, begleitet durch regelmäßige Mentoring-Gespräche. Das erhöht die Effektivität deutlich, weil verschiedene Lerntypen angesprochen werden.

4. Phase: Durchführung – Der Lernprozess beginnt
Die Planung ist abgeschlossen, jetzt geht es zur Umsetzung. Aber Durchführung bedeutet nicht, dass Du die Maßnahme einfach startest und dann abwarten kannst.
Der entscheidende Punkt ist, dass Du den Prozess aktiv begleitest. Läuft die Schulung wie geplant? Sind die Teilnehmer engagiert? Funktioniert die Methode, oder müssen wir sie anpassen?
Je nachdem, wie Du die Maßnahme durchführst, unterscheiden wir:
On-the-job-Training: Der Mitarbeiter lernt am Arbeitsplatz, bei der tatsächlichen Arbeit. Ein Mentor oder Coach begleitet ihn. Das ist oft die effektivste Methode, weil Lernen und Arbeiten zusammenfallen.
Off-the-job-Training: Seminare, Workshops oder Trainings außerhalb des normalen Arbeitsumfelds. Der Vorteil: Weniger Ablenkung, intensiver Fokus. Der Nachteil: Der Transfer zurück in die Praxis ist manchmal schwer.
Near-the-job-Training: Der Mittelweg. Das Lernen ist zwar räumlich getrennt vom Arbeitsplatz, aber es behält den Bezug zur Arbeit. Lernwerkstätten sind ein gutes Beispiel.
Stelle sicher, dass Deine Führungskräfte in die Rolle des Supporters, Coaches oder Mentors schlüpfen. Sie sind nicht nur Arbeitgeber, sondern auch Lernbegleiter. Wenn Dein Team merkt, dass die Führungskraft das Lernen aktiv unterstützt und vorantreibt, verändert sich die ganze Kultur.
5. Phase: Erfolgskontrolle – Überprüfung der Wirksamkeit
Wie erfolgreich war die Maßnahme wirklich? Das ist die zentrale Frage von Phase fünf. Hier verschwenden viele Unternehmen ihre größte Chance. Sie führen eine Schulung durch, fragen die Teilnehmer zum Abschluss „Hat es Dir gefallen?“ und fertig. Das ist nicht nur Verschwendung von Daten, sondern auch eine verpasste Gelegenheit zum Lernen.
Die Erfolgskontrolle ist mehrstufig:
Zufriedenheitskontrolle: War das Seminar angenehm? Hat es Spaß gemacht? Das ist ein wichtiger Start, aber nur der erste Schritt.
Lernerfolgskontrolle: Hat der Mitarbeiter das Gelernte auch wirklich verstanden? Kann er es wiedergeben, anwenden?
Transferkontrolle: Das ist die wichtigste Frage – Wendet der Mitarbeiter das Gelernte tatsächlich in seiner Arbeit an? Zwei Wochen nach der Schulung, zwei Monate danach – nutzt er wirklich, was er gelernt hat?
Organisationskontrolle: Hat die Maßnahme Auswirkungen auf die Organisationsleistung? Bessere Kundenservice? Höherer Output? Weniger Fehler?
Führe Transfergespräche durch. Der Mitarbeiter kommt aus einer Schulung zurück, und Du fragst nicht nur „Wie war’s?“, sondern: „Was nehmen wir mit? Wie wenden wir das konkret an? Was brauchst Du dafür von mir als Führungskraft?“

6. Phase: Transfersicherung – Die nachhaltige Verankerung
Hier zeigt sich, ob Personalentwicklung wirklich funktioniert hat oder nicht. Wendet der Mitarbeiter das Gelernte im Alltag an?
Statistiken zeigen, dass ohne gezielte Transfersicherung etwa 60–70 Prozent des Gelernten innerhalb von zwei Wochen wieder vergessen ist. Das ist nicht nur schade für den Mitarbeiter, sondern auch teuer für das Unternehmen.
Die Transfersicherung ist deshalb so wichtig, weil sie den Kreis schließt. Sie sorgt dafür, dass das Gelernte zur Routine wird, zur neuen Normalität.
Was bedeutet das konkret?
Arbeitsumfelder unterstützen: Der Mitarbeiter braucht ein Umfeld, das das Neue ermöglicht. Wenn ein Vertriebsmitarbeiter gerade gelernt hat, kundenzentrierter zu kommunizieren, aber die bestehenden Prozesse das nicht hergeben, wird es nicht funktionieren. Passe also auch die Rahmenbedingungen an.
Führungskräfte als Katalysatoren: Die direkte Führungskraft ist der Schlüssel. Sie sagt dem Mitarbeiter: „Ich sehe, dass Du diese neue Methode anwendest. Das ist großartig. Lass mich Dich dabei unterstützen.“ Sie entfernt Hürden, ermutigt und erkennt Erfolge an.
Wiederholung und Reflexion: Manchmal reicht eine Schulung nicht. Wiederholungs-Workshops, regelmäßige Refresher oder Austauschgruppen helfen, das Gelernte zu festigen.
Baue Transfer von Anfang an ein. Nicht erst nach der Schulung, sondern schon während der Planung. Der Mitarbeiter sollte bereits vor der Schulung wissen: „Danach werde ich das und das konkret umsetzen. Meine Führungskraft wird mich dabei unterstützen.“
Das Becker-Phasenmodell in der Praxis
Stell Dir vor, Du hast ein Verkaufsteam mit 15 Personen. Der Kundenumsatz ist stabil, aber Kundenzufriedenheit und Kundenloyalität sind nicht so, wie Du sie dir vorstellen würdest.
- Phase – Bedarfsanalyse: Du analysierst gemeinsam mit den Verkäufern ihre Aufgaben. Du führst Kundengespräche. Du merkst, dass die Verkäufer gut im klassischem Verkauf sind, aber wenn es um Kundenzusammenarbeit nach dem Verkauf geht, sind sie schwach. Das ist das Problem. Stärkere Kundenorientierung, bessere Nachbetreuung sind nötig.
- Phase – Ziele: Du stellst gemeinsam mit Deinen Verkäufern fest: „Wir wollen, dass jeder Verkäufer nach dem Verkauf einen strukturierten Plan mit dem Kunden macht, wie die Zusammenarbeit aussieht. Das soll in den nächsten 3 Monaten Standard sein.“
- Phase – Gestaltung: Du entscheidest, ob ein 2-Tages-Workshop zur Kundenbeziehungsgestaltung, dann ein 4-Wochen-Coaching, dazu Peer-Learning zwischen den Verkäufern (sie lernen voneinander).
- Phase – Durchführung: Der Workshop findet statt, die Coaches unterstützen danach die Verkäufer bei echten Kundengesprächen, die Peer-Learning-Treffen finden wöchentlich statt.
- Phase – Erfolgskontrolle: Nach 3 Monaten schaut ihr: Wenden alle das an? Wie sehen die Kundenfeedbacks aus? Sind die Nachbetreuungspläne in den Prozess eingebaut?
- Phase – Transfersicherung: Du stellst fest, es funktioniert gut! Um es zu sichern, baust Du monatliche Feedbackrunden ein, in denen die Verkäufer ihre Erfahrungen teilen. Die neuen Standards werden in Ihre Verkaufs-Playbooks aufgenommen.
Und dann? Dann beginnt ein neuer Zyklus, weil sich die Welt weiterdreht und neue Bedarfe entstehen.
Warum das Becker-Phasenmodell immer noch aktuell ist
Das Modell ist aus den 1980er Jahren, ist es mittlerweile nicht überholt? Ganz im Gegenteil. Gerade in Zeiten von rapidem Wandel, New Work und agilem Lernen ist ein strukturiertes Modell wichtiger denn je.
Ohne klare Struktur erstickt Personalentwicklung in Ad-hoc-Maßnahmen, Gießkannenprinzipien und Budget-Energieverschwendung. Mit dem Becker-Modell hast Du einen Rahmen, der:
Sicherheit gibt: Du weißt, welche Schritte notwendig sind.
Kosten spart: Du investierst gezielt dort, wo es wirklich notwendig ist.
Nachhaltigkeit schafft: Die Maßnahmen wirken tatsächlich, nicht nur kurzfristig.
Akzeptanz fördert: Weil alle in den Prozess eingebunden werden und verstehen, warum.
Fazit
Das strukturierte Denken ist Dein Vorteil
Personalentwicklung ist zu wichtig, um sie dem Zufall zu überlassen. Das Becker-Phasenmodell mit seinen sechs Phasen gibt Dir einen bewährten Weg, wie Du Deine Mitarbeiter systematisch entwickelst, ihre Potenziale aktivierst und gleichzeitig die Leistung Deines Unternehmens steigerst.
Es geht nicht darum, stur einem alten Schema zu folgen. Es geht darum, mit Absicht vorzugehen, mit klarem Blick auf Bedarfe, mit messbaren Zielen, mit durchdachten Maßnahmen und mit echter Erfolgskontrolle.
Wenn Du die sechs Phasen konsequent und adaptiv nutzt, also bewusst, aber flexibel genug für die Realität Deines Unternehmens, dann hast Du ein System, das wirklich funktioniert.
Der erste Schritt? Schau Dir Dein Team an. Wo sind die größten Entwicklungschancen? Wo sind die Bottlenecks? Starte dann mit einer echten, ausführlichen und tiefen Bedarfsanalyse. Das ist der Anfang von echter Personalentwicklung.
FAQ
Das Becker-Modell, auch Funktionszyklus systematischer Personalentwicklung genannt, ist ein bewährtes Konzept des Universitätsprofessors Manfred Becker. Es gliedert sich in sechs Phasen, Bedarfsanalyse, Zielformulierung, Kreatives Gestalten, Durchführung, Erfolgskontrolle und Transfersicherung, und bietet einen strukturierten Rahmen für nachhaltige Personalentwicklung.
Das Modell sorgt dafür, dass Personalentwicklungsmaßnahmen nicht planlos durchgeführt werden, sondern strategisch geplant, effektiv umgesetzt, gemessen und nachhaltig verankert werden. Das spart Kosten, erhöht die Effektivität und schafft echte Veränderung.
Absolut. Das Modell ist skalierbar. Kleine Unternehmen können es schlanker umsetzen, mit weniger formalen Dokumentationen, aber mit denselben Grundprinzipien. Die Struktur hilft überall.
Das hängt von der Maßnahme ab. Ein einfacher Zyklus kann 2–3 Monate dauern, komplexere Entwicklungen können sich über 6–12 Monate erstrecken. Das Wichtigste: Der Transfer ist danach nicht vorbei, sondern wird kontinuierlich gepflegt.
Ja. Tatsächlich ergänzen sich agile Ansätze und das Becker-Modell sehr gut. Die Struktur des Modells (Analyse, Zielformulierung, iterative Umsetzung, Kontrolle) ist im Grunde sehr agil. Du kannst in kürzeren Zyklen arbeiten, schneller Feedback einholen und kontinuierlich anpassen.




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